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Mehrere Tage verbrachte ich unentdeckt in meiner Garage. Dieses hatte ich meiner Umsicht zu verdanken, die ich walten lies. Ich vermied es, tagsüber mein Versteck zu verlassen. Erst in den Stunden der Dunkelheit begab ich mich hinaus zur Futterbeschaffung oder für ein Bewegungstraining. Meinen Karton hatte ich mir inzwischen recht gemütlich ausgestattet. Einige alte, ölfreie Lappen lagen auf dem Garagenboden. Diese hatte ich in den Karton verschleppt und mir so eine weiche Unterlage gemacht. Hier hätte ich ein glücklicher Streunerkater werden können, wenn ich nicht das Bedürfnis nach menschlicher Nähe, nach einigen Streicheleinheiten und freundlichen Worten gehabt hätte.
Während ich tagsüber in meinem Karton döste, hörte ich draußen Kinder und eine Frau miteinander sprechen. Oft tobten die Kinder vor der Garage, kreischten vor Freude. Ihre Unterhaltungen hielten sie lautstark ab, sie brüllten sich gegenseitig an. Wenn ich besonders müde war, ärgerte ich mich über diese Ruhestörung. Man sollte Katzen tagsüber doch in Ruhe schlafen lassen! Unsereins gehört schließlich zu den nachtaktiven Tieren.
Mein Entschluss das Garagendomizil zu verlassen und mich den Menschen zu zeigen fiel, als der Geruch eines frischen Bratens aus der Küche über das Grundstück zu mir zog. Wie viel Tage oder Wochen war es her, dass man mir ein Stückchen gebratenes oder gekochtes Fleisch vorgelegt hatte? Wie lange musste ich schon auf das Recht verzichten, einen Sahnetopf auszuschlecken?
Ich hatte meine Entscheidung getroffen. Ich wollte den Garagenbesitzern einen Sonntagsbesuch abstatten und mich für die gemütliche Kiste dankbar zeigen. Vielleicht fiel dann auch ein kleiner Leckerbissen für mich ab.
Ich begab mich auf den Weg zum Wohnhaus. Es hatte eine himmelblaue Holzfassade mit weißen Fensterrahmen und Fensterläden. Unter dunkelblau lasierten Dachpfannen lag das obere Stockwerk, in dem die Schlafzimmer der Familie waren. Vor den Fenstern im Erdgeschoss standen weiße Blumenkästen mit blühenden rosa Primeln. Eine große hölzerne Terrasse mit Blick zum Fjord zog sich an der vorderen Hauslängsseite entlang. Mein Domizil, die Doppelgarage, war das farbliche Ebenbild des Wohnhauses. Ein Weg mit schneeweißen Kieseln führte den Hang hinunter zur Straße. Im Sommer würden in diesem Garten sicher viele Blumen blühen.
Bei der Hausumrundung stellte ich fest, dass ein Küchenfenster geöffnet war, und die Hausfrau vergessen hatte, das Fliegengitter davor zu ziehen. Dies war mein Weg ins Haus. Das Fenster lag etwa eineinhalb Meter über dem Erdboden. Ich musste hochspringen und mich mit einem Klimmzug hochziehen. Diese Hürde schaffte ich beim ersten Versuch.
Jetzt hockte ich auf dem Fensterbrett und konnte in die Küche hineinschauen. Klein war sie, gemütlich und blitzsauber. Einige Töpfe standen auf der Abstellfläche neben der Spüle und warteten darauf gesäubert zu werden. Diese Arbeit würde ich der Hausfrau als Willkommensgruß abnehmen.
Die Menschen hielten sich nebenan im Esszimmer auf. Sicherlich waren sie gerade dabei, den köstlichen Sonntagsbraten zu verspeisen. Mich würde keiner bei der Kochtopfbeschau stören. Ohne weiteres Zögern ließ ich mich auf die Küchenarbeitsfläche fallen und machte mich auf den Weg zu den Töpfen.
Ich hatte mich nicht getäuscht. Im ersten Kochtopf waren die Kartoffeln gegart worden. Normalerweise ignoriere ich Kartoffeln, sie sind kein Nahrungsmittel für Katzen. Hunger jedoch machte mich empfänglich für einige Vitamine. Im zweiten Kochtopf hatte die Frau Gemüse zubereitet und es anschließend in etwas Butter geschwenkt. Genussvoll leckte ich die Butterreste vom Topfboden. Dass das Gemüse noch durchschmeckte, störte mich nicht. Fett war, ebenso wie Gras, wichtig für meine Verdauung.
Erwartungsvoll machte ich mich an den dritten Topf heran. Eine dünne Schicht köstlicher brauner Soße, in der noch einige kleine Fleischfasern schwammen, sah mich vom Topfboden an. Mehrere Fettaugen schwammen obenauf und blinzten wie übermütige Wassertropfen. Ich kostete. Ein Kompliment der Hausfrau, vom Kochen verstand sie etwas! Dann stürzte ich mich kopfüber einschließlich der Vorderpfoten in den Topf und begann zu schlecken. Erst als wirklich kein Pfützchen mehr vorhanden war, hörte ich auf. Dann kam ich aus dem Topf hervor und leckte mir genüsslich die Soßenreste von den Pfoten.
Meine Gedanken drehten sich noch um die eben genossenen Kostproben, als mich ein fürchterliches Scheppern aus meinen Betrachtungen riss. Im Esszimmer musste etwas zu Bruch gegangen sein. Ich hörte die aufgeregten Stimmen der Zweibeiner. Schnell machte ich mich auf den Weg zum Fenster und verließ fluchtartig das Haus. Für zerbrochenes Porzellan wollte ich nicht verantwortlich gemacht werden.
In den nächsten Tagen änderte ich meine Gewohnheiten. Ich hatte festgestellt, dass die Frau jeden Mittag nach dem Kochen das kleine Küchenfenster offen stehen ließ. Somit konnte ich mich leicht ins Haus einschleichen und unbemerkt die Kochtöpfe säubern. Sicher würde sich diese hervorragende Köchin für meine Dienste dankbar zeigen.
Es ging nur wenige Tage gut. Der Hausherr wollte etwas aus der Küche holen. Ich hatte mich in einen Topf mit vorzüglicher Rømmegrøt vertieft, einer kalorienreichen Köstlichkeit aus saurer Sahne, Milch und Mehl, als er leise in die Küche eintrat. Die Zeit zur Flucht reichte nicht.
»Was suchst du verflixtes Katzenbiest hier«, brüllte mich dieses Exemplar Mann direkt an, »machst du wohl, dass du sofort aus dem Haus kommst. Hier ist kein Platz für dich.«
Sein Geschrei hatte den ganzen Familienclan in die Küche eilen lassen. Jetzt standen sie da. Er, ein kleiner, ziemlich dicker Mann. Sie, eine rundliche Blondine, und vier Kinder, die wie die Orgelpfeifen aufgereiht standen und mich anstarrten.
Dann wurde ich vom Herrn des Hauses im Nacken gepackt und zur Küchentür getragen. Mit einem heftigen Stoß wurde ich nach draußen auf die Terrasse befördert. Deprimiert schlich ich auf Umwegen zur Garage zurück. Dieser Grobian hatte wohl kein Verständnis dafür, dass man seiner Frau, der göttlichen Köchin, in der Küche zur Hand ging.